Der erfahrene Politologe erläuterte mit Rückblick auf die Weltgeschichte wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit wieder herstellen kann
Das IZB in Martinsried veranstaltete am 21. September 2023 einen herausragenden Wirtschaftsempfang im Faculty Club "Gateway to Biotech". Fast 100 Gäste aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft nahmen an der Veranstaltung im IZB teil. Dr. Peter Hanns Zobel, Geschäftsführer des IZB, präsentierte die neuesten Entwicklungen im IZB und auf dem Campus Martinsried. Dr. Theo Waigel, Bundesfinanzminister a. D. und renommierter Experte im Bereich der Politik, hielt einen spannenden Impulsvortrag mit dem Titel "Politik in unsteten Zeiten". Er erläuterte, wie Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wirtschaftsgeschehen wiederherstellen kann. Co-Organisatorin Kerstin Schreyer, Bayerische Bau- und Verkehrsministerin a. D. und Landtagsabgeordnete für den Landkreis München Süd sowie Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung konnte aufgrund ihrer aktuellen Krebserkrankung nicht anwesend sein.
Dr. Zobel unterstrich die Bedeutung des IZB für die Biotechnologiebranche und betonte, dass das IZB seit seiner Gründung vor 28 Jahren eine zentrale Rolle in der Förderung von Innovation und Fortschritt gespielt hat. Mit über 200 ansässigen Unternehmen seit Gründung und Finanzierungen, Deals und Kooperationen seit 2015 für über 5 Milliarden Euro hat das IZB eine beeindruckende Erfolgsbilanz vorzuweisen.
Zum Beispiel hat Tubulis eine Plattform entwickelt, um Medikamente ohne Nebenwirkungen zu entwickeln. Eisbach Bio, Catalym und T-Curx sind weitere Start-ups, die innovative Krebstherapien erforschen. Die Firmen Modag und Origenis sind an vorderster Front tätig, um Patienten ein Medikament gegen neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson zur Verfügung stellen zu können.
Abschließend wies Dr. Zobel auf die dynamische Entwicklung des Campus Martinsried hin, der in den kommenden Jahren erhebliche Investitionen in Höhe von mindestens 2 Milliarden Euro erhalten wird, um seine Schlagkraft und Innovationskraft weiter zu stärken.
„Leider muss ich heute auch eine traurige Nachricht verkünden. Unsere Co-Organisatorin, Kerstin Schreyer, die maßgeblich zur Gestaltung dieses Wirtschaftsempfangs beigetragen hat, kann heute nicht bei uns sein. Sie hat vor Kurzem einen mutigen Kampf gegen Brustkrebs aufgenommen und ist momentan in Behandlung. Unsere Gedanken sind bei ihr, und wir wünschen ihr von Herzen eine baldige Genesung“, erklärte Zobel. „Kerstin Schreyer ist immer am IZB interessiert, besucht regelmäßig unsere Start-ups vor Ort und informiert sich über deren Arbeit. Auch bei der für das IZB sehr wichtigen, nun im Bau befindlichen U-Bahnverlängerung nach Martinsried war sie als Verkehrsministerin eine der treibenden Kräfte. Sie ist ein herausragendes Beispiel für Stärke und Entschlossenheit, und wir hoffen, sie bald wieder bei uns im IZB willkommen zu heißen“, so Zobel.
In seinem Impulsvortrag beleuchtet Dr. Waigel die schwierige wirtschaftspolitische Lage in Deutschland und gab wertvolle Einblicke in politische Strategien. „Auch in den deutschen Medien wird besorgt die Frage gestellt, ob Deutschland wieder zum kranken Mann in Europa werde. Die Wachstumsquoten in Frankreich, Italien Spanien und anderer EU-Länder sind kräftiger als in Deutschland. Es muss zu denken geben, wenn die Schweiz in Sorge um Deutschland ist, in Österreich die große Ignoranz gegenüber den Auswirkungen heimischer Politik auf kleine Nachbarländer beklagt wird, Italien Deutschland eine rasche Erholung wünscht und die Niederlande hinsichtlich der Fiskalpolitik befürchten, ihren besten Verbündeten zu verlieren. Selbst in Großbritannien herrscht keine Schadenfreude über die ökonomische Entwicklung Deutschlands“, fasst Waigel die derzeitige Lage zusammen.
Waigel betonte, dass Deutschland als größte Volkswirtschaft und bevölkerungsreichstes Land zur Führung in Europa gezwungen ist, ob ihm diese Rolle passt oder nicht. „Die konzeptionelle Mitarbeit Deutschlands an einer geoökonomischen Strategie ist unabdingbar. Dazu gehört eine nüchterne China-Strategie mit der Einbeziehung militärischer Sicherheitsrisiken, der Stärkung von Resilienz und stärkerer Förderung von Investitionen in öffentliche Güter“, so die Empfehlungen des erfahrenen Politologen.
Waigel ist überzeugt, dass die wenigsten Finanzpolitiker die implizite Staatsschuld berücksichtigen, die unausweichlich auf unsere Kinder und Enkel zukommt. Bereits beschlossene soziale Leistungen müssen in der Zukunft finanziert werden, ohne dass sie in den öffentlichen Haushalten bisher bilanziert oder entsprechende Rücklagen gebildet werden. Dies betrifft die Pensionen und Renten wie eine wachsende Belastung durch längere Lebenszeit und Kosten für Pflege. „Berechnet man diese Bilanz, kommt man nicht auf 60 bis 70 Prozent Staatsschuld gemessen am BIP, sondern auf nahezu 150 Prozent die von einer künftigen Finanzpolitik in der nächsten Generation aufgebracht werden müssen. In einigen Ländern Europas liegt sie noch höher, erstaunlicherweise in den Programmländern Irland, Portugal, Spanien geringer und das gebeutelte Land Griechenland stellt sich besser als Deutschland“, erläuterte Waigel.
In seiner rhetorisch unterhaltsamen Rede gab Waigel sehr spannende Einblicke in sein politisches Leben mit Zusammenkünften internationaler Politikgrößen aus seiner aktiven Zeit als Bundesfinanzminister. Der lange Beifall spiegelte das Interesse des Publikums wider.
Der Wirtschaftsempfang im IZB war erneut ein großer Erfolg und bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Möglichkeit, sich branchenübergreifend kennenzulernen und zu netzwerken. Kerstin Schreyer übersandte ein Statement an die Gäste: „Auch wenn ich dieses Jahr auf Grund meiner Brustkrebserkrankung persönlich nicht vor Ort sein konnte, bin ich trotzdem sehr zufrieden, dass der Wirtschaftsempfang, in Kooperation mit dem IZB, zum mittlerweile elften Mal stattfinden konnte. Jedes Jahr entstehen beim Wirtschaftsempfang Kontakte, aus denen erfolgreiche Geschäftsbeziehungen entstehen. Das ist gut für die Unternehmen und gut für den Landkreis München“, so Schreyer.